|  | Das Jahrhundert der
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  Das 16. Jahrhundert, das durch die Reformation seine besondere Bedeutung
      erlangt hat, begann in Hahausen - man möchte fast sagen, wie konnte
      es anders sein - mit Grenzstreitigkeiten. Um die damalige Situation des
      Dorfes zu verstehen, muss man sich zunächst den Grenzverlauf 
      vergegenwärtigen. Die Grenze zwischen Braunschweig - Wolfenbüttel 
      und Hildesheim war hier "de olde strate, die dat fustenthumb Brunschwich undt 
      sticht Hildesheim tho der tyd gescheiden iß van Bornenhusen (Bornhausen) 
      na Nannershusen (das wüste Nawershausen) under dem Lober barge (etwa 
      ältere Bezeichung des Langenberges?), dath (für "dorch"?) dat Radebrock 
      (Radebruch) bey dem Steinbock (Steimkerbach)".
 
   Eine andere Beschreibung erwähnt die schnede (Schneise, Grenzschnitt) vom 
      Forstwege (wohl Fastwege) van dem Steinberger holtze (bei Bornhausen) dorch Hahausen 
      an signet crutze (Grenzkreuze), de na der Netle (Neile) stahn, van den crutzen na 
      dem lutken Steinbock (Kl. Steimkerbach) in die olde strate...(1).
 
   In verständlichen Worten gesagt: Die Grenze verlief von Bornhausen über
      dem Langenberg durch Hahausen bis an die Neile und von dort zum
      Steimkerbach. hahausen war also ein geteiltes Dorf. Diese Teilung darf man
      sich aber nicht so vorstellen, wie wir sie aus dem heutigen Berlin kenne,
      auch darf man das Wort "dorch" nicht zu wörtlich nehmen. Hahausen
      bildete nach wie vor eine Einheit, wenn jetzt auch ein wesentlicher,
      vielleicht sogar der wesentlichste Teil des Dorfes politisch zum Fürstentum
      Hildesheim gehörte.
 
   Nichtsdestotrotz gab es ständig Ärger wegen dieser Grenze. Im damals
      bischöflichen Lutter (darum auch Bischofslutter genannt) saßen als Pfandinhaber
      des Hauses Lutter die Herren von Schwicheldt. Schon Kurt von Schwicheldt
      hatte - als getreuer fürstbischöflicher Gefolgsmann - ständig
      Grenzverletzungen begangen. Sein Sohn Konrad (II.), genannt  Kurt, der von
      1476 bis 1510 Pfandinhaber des Hauses Lutter am Barenberge war, nahm
      Anfang des 16. Jahrhunderts (1510?) eine Grenzverletzung vor, indem er die
      "handtwisunge" (Handweisung, Handzeichen), die sich auf einem
      der "signet crutze bey der moile", also auf einem Grenzkreuze in
      der Nähe der Pöbbeckenmühle, befand, abnahm und "dat
      crutz gesetzt bey dem water", als das Grenzkreuz direkt an das
      Bachbett der Neile versetzte (2).
 
   Zuvor hatte er einem alten Mann, Hanß Henecke aus Liebenburg, zu den Kreuzen holen
      lassen und ihn befragt, was das Handzeichen, das sich auf einem der Kreuze
      befand, bedeutete. "do hadde die sulfte Hanß Henecke gesecht, dat bedudede, dat 
      upwort na den Bakenberge braunschweigißh und niderwordt stichteß (als stiftshildesheimisch)
      wore"(3).
 
    (1) St. A. Wob. 7 Alt S 1705; die Grenze führte mitten durch "die Hahusische Kirche", wie es in einer späteren Grenzbeschreibung heißt
 (2) Kalthammer, Wilhelm: Handzeichen auf Grenzkreuzen am Beispiel der
      "signet crutze" von Haahusen. In "Das Kleindenkmal",
      Trebur, Jg. (1981), Nr. 8
 (3) Siehe (1)
 
   Chronik, Seite 44
 
   Doch ließ sich Herzog Heinrich der Ältere von Braunschweig diese
      Grenzverletzung nicht gefallen, denn schon am Dienstag nach Mariä Geburt 1510 wurde
      Hahusen ein Grenzregulierungstag zwischen ihm und Bischof Johann von Hildesheim abgehalten.
      Hierbei ging es u. a. auch um den Bakenberg. Konrad von Schwicheldt starb bereits im Jahre 1511.
 
   Der Unfriede zwischen Hildesheim und Braunschweig dauerte weiter an. In
      einem Streit des Bischofs Johann von Hildesheim mit seinen eigenen Adligen
      stellte sich Herzog Heinrich auf die Seite dieser Ritter, indem er 1516
      sechzig Geschlechter auf 20 Jahre in Schutz und Bündnis nahm. Zwei Jahre später erklärte
      Burchard von Salder dem Bischof seine Feindschaft. Damit begann die Hildesheimer Stiftsfehde, die bis 1523 
      dauerte und weite Teile Niedersachsens verheerte.
 
   Hahausen als Grenzort wurde durch diese Streitigkeit schwer heimgesucht.
      So  fanden bereits 1518 Kämpfe zwischen den gegnerischen Parteien an den Osterköpfen statt. Auch
      scheint die Pöbbeckenmühle während dieser Zeit wüst geworden zu sein.
 
   Manche Forscher vertreten die Meinung, dass unsere Gegend während der Hildesheimer Stiftsfehde mehr 
      gelitten hat als im Dreißigjährigen Kriege. Die Kriegsführung spielte sich nämlich so ab, dass
      die jeweiligen Heerscharen in das gegnerische Land einfielen und Dörfer und Städte ausraubten und
      nieder brannten. Seesen wurde am 09. Oktober 1522 von Hildesheimern im Sturm genommen und ging in Flammen auf.
 
 Die Hildesheimer Stiftsfehde endete mit dem Frieden von Quedlinburg am 15.
      Mai 1523, in dem Herzog Heinrich Bockenem, Lutter, Lamspringe, Vienenburg,
      Alfeld und Burgen Wohlenstein und Winzenburg erhielt (1). Hahausen war
      jetzt also kein Grenzdorf mehr. Das Kloster Ringelheim verlor seinen
      Besitz in Hahausen, der an den Herzog überging.
 
   Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche
      zu Wittenberg geheftet. Die Reformation nahm ihren Anfang. Für Hahausen hatte sie jedoch zunächst keine 
      Bedeutung, da der Landesfürst, Herzog Heinrich, streng an der
      katholischen Lehre festhielt und die "Lutherische Sektiererei"
      verbot. So blieb Hahausen mit dem Wolfenbütteler Land katholisch, während
      Grubenhagen im Süden und Goslar
      im Norden evangelisch wurden. Teile des braunschweigischen Adels verließen jedoch des herzoglichen Verbots 
      die katholische Aber Herzog Heinrich griff hart durch. Zwischen ihm
      und Martin Luther kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Dazu trug vor
      allem die Liebesaffäre des Herzogs mit Eva von Trott, die von 1532 - 1541 auf der
      Staufenburg lebte, bei. Dies 
      Liebesverhältnis trug dem Herzog Luthers Verachtung und Schmähungen ein, so besonders durch die gegen 
      ihn gerichtete Schrift Luthers "Wider Hanns Worst".
 
   (1) Rethmeier, Philipp Julius:
      Braunschweig-Lüneburische Chronika, Braunschweig 1722, Band II., S. 868 f.
 
   Chronik, Seite 45
 
   1542 trat eine unerwartete Wende ein. Die
      evangelischen Fürsten Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen eroberten das 
      Land Braunschweig und vertrieben den Herzog. Das Herzogtum Braunschweig
      wurde jetzt vom evangelischen "Schmalkaldener Bund" verwaltet.
      Ein Landtag zu Braunschweig beschloß die Einführung der Reformation. Kurz darauf begann eine 
      Visitations-Kommission ihre Arbeit, die Pfarreien zu besichtigen.
 
   Im Jahre 1545 versuchte Herzog Heinrich sein Land zurückzuerobern, wurde aber bei Kalefeld gefangen
      genommen und 
      blieb zum Siege des Kaisers bei Mühlberg 1547 auf der Feste Ziegenhain bei Kassel in Haft. Dann kehrte er in sein
      Land zurück und rekatholisierte es. Die inzwischen eingesetzten evangelischen Geistlichen wurden entweder 
      vertrieben oder mussten sich zum Katholizismus bekehren und dazu ein entsprechendes Examen ablegen.
 
   Wahrscheinlich schon früher, doch spätestens seit 1539 gehörte Hahausen zum Hause Lutter, wie u. a. 
      auch aus dem Erbregister des Amtes Lutter vom Jahre 1548 zu ersehnen ist.
 
   Von 1550 bis 1553 hatte Hahausen wie die ganze Umgegend vom Harz bis
      Hildesheim unter kriegerischen Ereignissen und besonders unter dem Grafen
      Volrad von Mansfeld zu leiden, vor allem, als der Graf bis zum 2. Februar
      1553 sein Winterquartier in Seesen hielt. "Se freten up wat da
      was" heißt es in einem Bericht aus dieser Zeit (1).
 
   Zu all´ diesem Unglück gesellte sich wieder einmal die Pest, die im
      16, Jahrhundert im ganzen Lande wütete. So hatte Hildesheim im Jahre
      1538 allein in der Zeit zwischen Ostern und Weihnachten 1500 Tote zu
      beklagen, im Jahre 1597 sogar deren 6000.
 
   Doch trotz kriegerischer Ereignisse, Pest und sonstigen Drangsale ging es
      unseren Vorfahren im Jahrhundert der Reformation wirtschaftlich verhältnismäßig gut.
      So kommt G. Oehr in einer Untersuchung (2) zu dem Ergebnis,
      dass es in dieser Zeit im Lande Braunschweig keinen Proletarierstand gab,
      sondern überall einen wohlbegüterten Bauernstand, der selber kaum genügend Arbeitskräfte hatte, 
      um seinen eigenen Acker zu bestellen und dem der Gedanke an radikale agrarische Reformen
      voll kommend fremd war. Dies
      ist wohl auch ein Grund, warum der Bauernkrieg, der im Süden und in der Mitte des Reiches tobte, sich in unserer 
      Gegend nicht entwickeln konnte.
 
   Das erstaunt umso mehr, als das Eigentum an Grund und Boden im 16.
      Jahrhundert in der Hand weniger Gutsherren vereinigt war. Die Hahäuser besaßen lediglich etwas Rodeland, 
      alles übrige Land war formell im Besitz des Herzogs oder einiger Adliger. Herzog Heinrich der Jüngere 
      (1514 - 1568) strebte jedoch bereits energisch, wenn auch erfolglos, dahin, dem Bauernstand ein erbliches Besitzrecht 
      an Grund und Boden zu verbürgen und durch eine gute Polizeiordnung Ruhe und Sicherheit im Lande zu schaffen.
 
   (1) Cordes, Dr. Gerhard (Hrsg.): Die Goslarer Chronik des Hans Geismar,
      Goslar 1954, Heft 14 der "Beitrüge zur Geschichte der Stadt Goslar", S. 156
 (2) Oehr, G.: Ländliche Verhältnisse im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel im 16. Jahrhundert, Hannover und Leipzig 1903
 
   Chronik, Seite 46
 
   Obwohl unsere Vorfahren im 16. Jahrhundert verhältnismäßig freie unabhängige Menschen 
      waren, so legten sich doch im Laufe dieses Jahrhunderts als drückenste und schwerste Last die Dienste allmählich auf 
      den Bauernstand, doch kam es hier nie zu den schweren Frondiensten wie östlich der Elbe. Außerdem waren im Braunschweigischen 
      die Dienste öffentlich-rechtlicher Natur, sie wurden in der Regel an den Landesherrn geleistet. Die schwerste Reallast, die auf dem 
      bäuerlichen Besitz ruhte, war entschieden der Zehnte. Als Heinrich der Jüngere 1568 starb, führte dessen Nachfolger, 
      Herzog Julius, nach dem Grundsatz "Cuius regio eius religio" (Wessen Land, dessen Religion) sofort die Reform wieder
      ein. Unsere 
      Vorfahren wurden jetzt also zum zweiten mal evangelisch.
 
   Nach Julius folgte Heinrich Julius (1589 - 1613), der das Regieren seinen
      Räten überließ. Er war jedoch berüchtigt, da unter seiner Herrschaft zahlreiche Hexenverfolgungen durchgeführt 
      wurden. Wen während seiner Herrschaft auf dem Gebiet der inneren Politik Verbesserungen erfolgten - so wurde 1597 und 1601 die
      Erblichkeit des Meiergutes festgelegt und die Erhöhung der Meierpacht untersagt - so ist dies in erster Linie ein Werk seiner
      Ratgeber.
 
   Chronik, Seite 47
 
 
  
 
      
 
 
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