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November 2007

Taufe von Horst Willke 1936. Von links: Heinrich Kalbreier, Irmgard Schulze mit Baby Horst Willke, Martin Ohlendorf, Hedwig Willke und Pate Gustav Neumann (Geselle bei Firma Willke).

Irmgard Hermine Emma Schulze, geb. Pilster. geb. am 06.09.1902 in Braunschweig, gest. am 22.01.1994 in Hahausen. Auf Schloss Derneburg bei ihrer Tante Auguste Pilster hat sie kochen gelernt. Anschließend arbeitete sie als Hausmädchen in einem Haushalt in Goslar. Am 17.03.1923 war die Eheschließung mit Wilhelm Heinrich Karl Schulze, geb. 19.01.1899 in Hahausen, gest. am 24.03.1961 in Seesen. Um 1927 erfolgte in Braunschweig eine Ausbildung zur Hebamme. Durch Frau Schulze wurde in der Region Seesen, Hahausen, Nauen vielen Kindern auf die Welt geholfen.
 Foto: 1936

SEESENER ANZEIGER
Der Klapperstorch fährt BN 80-146
Mutter Schulze verhalf 2100 neuen Erdenbürgern zum ersten Schrei


In dem großen Hause in der Jacobsonstraße in Seesen erstrahlte ein großes Wohnzimmer in hellem Licht. Der Herr des Hauses, Kinder und Schwiegerkinder, erwarteten das neue Jahr. Ein dampfender Punsch stand bereit, aber irgendwie wollte keine rechte Stimmung aufleben, weil die Mutter fehlte. Als die Stimmung ihren Tiefpunkt zu erreichen drohte, es war schon 23.30 Uhr, ging die Haustürklingel, und alles wurde doch noch schön. Gerade zur rechten Zeit kam Frau Irmgard Schulze noch an, um ihrer Familie ein "Prosit Neujahr" zuzurufen.

Stunden vorher hatte sie im Krankenhaus eine werdende Mutter betreut, aber wie so oft, wollte und wollte das neue Leben nicht kommen. Mutter Schulze meinte schon, das würde wohl ein "Neujahrsgruß" werden. Aber dann kam das Kind doch noch 1954 zur Welt.

Wir berichteten bereits Anfang November, daß die Seesener Hebamme Irmgard Schulze ihr silbernes Dienstjubiläum begangen habe. In den nächsten Tagen wird ihr der Hebammenverein in Seesen im Busch-Zimmer des "Goldenen Löwen" eine kleine Feier ausrichten, mit Kaffee und Kuchen, Ansprachen und Glückwünschen.

Fast 2100 Kinder stießen unter den Händen Frau Schulzes, mit sanftem Klaps auf den hierfür bestimmten Körperteil aufgemuntert, ihren ersten Schrei aus. Und die gleiche Anzahl von Müttern überstand die schwere Stunde mit Hilfe von Mutter Schulze, die tröstend zusprechen kann oder mit "Dönekens" die Zeit des Wartens überbrückt.

Das Fahrrad reichte nicht mehr aus
Seit 1929 geht Frau Schulze ihrem verantwortungsvollen Beruf nach. Elf Jahre lang betreute sie Nauen und Hahausen, bis sie 1941 nach Seesen kam und auch nach Herrhausen und Münchehof als Arbeitsfeld zugewiesen erhielt. Schon damals konnte sie mit dem Fahrrad die vielen Wege nicht mehr schaffen, Sie wurde "motorisiert". 1948 schaffte sie sich ein zweites Motorrad an. Der "Klapperstorch" führt die Nummer BN 80 - 146.

 "Man muß viel Liebe und Geduld für diesen Beruf mitbringen, sonst läßt man am besten die Finger davon" sagt die Hebamme. Sie selbst hat ebenfalls vier Kinder zur Welt gebracht. Einmal rief sie ein dringender Ruf nach Hahausen, als sie ihren drei Wochen alten Säugling noch stillte. Kurz entschlossen nahm sie das Kind mit nach Hahausen, und als sie dort mit dem bekannten Klaps den ersten Schrei hervorgelockt hatte, fragte der Vater, ins Zimmer hereinstürzend, "Welches schreit nun eigentlich? Meins oder Deins?"

Herzhaftes lachen hilft in schwerer Stunde
Und herzhaft lachen kann Mutter Schulze, so ansteckend, daß die werdenden Mütter nicht einmal merken, wie ihr eigenes Lachen physische Hilfe leistet. Aber auch schwere Stunden liegen hinter ihr, wenn die jungen Mütter keine Kraft mehr hatten vor Erschöpfung zu sterben drohten. Dann kämpfte sie mit dem am Bett stehenden Tode ein grausames Ringen, in dem sie meist Sieger blieb.

Wie oft mußte sie in Bauernstuben ohne Licht während des Krieges die Leben bedeutenden Griffe tun.

Ein Leben "auf Abruf"
Wer Mutter Schulze vor sich sitzen sieht, sprühend und voller guter Laune, würde ihr die 52 Jahre kaum anmerken. Seit mehr als 25 Jahren lebt sie gewissermaßen "auf Abruf". Ob man sie aus der Operette im "Wilhelmsbad", vom Mittagessen oder von der Silvesterfeier wegholt, stets ist ihre Tasche gepackt und griffbereit und stets wartet "BN80 - 146" im Hausflur. Dann mag die Sonne scheinen oder der Frost klirren, Regen niederprasseln oder Schnee die Sicht versperren: der "motorisierte Klapperstorch" fährt los, wenn er gebraucht wird.

Jahr 1954